Arbeiten bis zum Umfallen – und das für schlechte Bezahlung5 Minuten

Arbeiten bis zum Umfallen – und das für schlechte Bezahlung5 Minuten

Und hier kommt Platz 2 auf der Liste der Ausbeuter: 18 Stunden Arbeit am Computer ohne Pausen, keine Getränke, kein Dankeschön und das bei schlechter Bezahlung.

Eine Zeitung wird prämiert – aber die Arbeitsbedingungen sind unzumutbar

So sah meine Arbeit bei einem hannoverschen Verlag aus, der für seine monatliche Zeitschrift vom früheren Bundeskanzler sogar ausgezeichnet worden war. Aber der kannte bestimmt nicht die Arbeitsbedingungen dort, welche die schlimmsten meines gesamten Arbeitslebens waren, – und ich habe jahrzehntelang in Zeitungs- und Buchverlagen gearbeitet.

1. Große Hoffnung auf das Ende der Arbeitslosigkeit

Als ich die kleine Anzeige im kostenlosen Wochenblatt las, hoffte ich darauf, wieder Arbeit zu finden. In der Anzeige stand zwar, dass erst einmal nur vorübergehend jemand gesucht wurde, aber vielleicht konnte ich mit meiner Arbeit überzeugen.

 

Die Wochenblätter
erscheinen seit über 40 Jahren wöchentlich am Sonnabend in Hannover, Laatzen, Pattensen, Hemmingen, Gehrden, Ronnenberg, Garbsen, Seelze, Barsinghausen und Wennigsen.
Mit den Kombinationspartnern in Springe, Hameln, Bad Pyrmont, Langenhagen, Wedemark, Schwarmstedt, Burgdorf, Lehrte, Burgwedel, Neustadt am Rübenberge, Wunstorf und Schaumburg werden rund 700.000 Exemplaren verteilt.

 

Krokodil

Bei der Vorstellung in der Villa erfuhr ich rasch, dass Kenntnisse verlangt wurden, die bei weitem nicht selbstverständlich waren. Damit hatte ich keine Probleme, bei all den vielen Fortbildungen, die ich in den letzten Jahren besucht hatte. Aber die Bezahlung war dafür sehr schlecht, noch weniger ging gar nicht mehr. Leider ab es damals noch keinen Mindestlohn.

Trotz allem versicherte mir der Verlagsinhaber, dass es mehrere Bewerber gab, die aber nicht alle Bedingungen erfüllten. Einer wäre sogar nebenbei selbstständig und wollte den Job unbedingt.

1.1. Der Anfang

Also begann ich am nächsten Montag. Anzeigen sollten bearbeitet, geprüft und in PDFs konvertiert werden. Da es keine Vorgaben gab, reichten die Kunden Anzeigen in sämtlichen Formaten ein, angefangen von Word-Dateien bis zu professionellen PDFs. Dafür musste man sich natürlich auch mit sämtlicher Grafik- und Text-Software, die es zurzeit gab, sowie mit allen verfügbaren Formaten, auskennen.

2. Arbeiten bis der Arzt kommt

2.1. Die erste Woche

Die Woche verlief problemlos, normale Arbeitszeiten, aber keine bezahlten Pausen mehr, wie bei den vorherigen Verlagen. Was nur möglich war, weil der Verlag nur „Schreibkräfte“ beschäftigte, die nicht unter den Tarifvertrag fielen.

Pausen und Tätigkeitswechsel

  • Nach jeweils 50 Minuten ununterbrochener Bildschirmarbeit muß eine Pause oder ein Tätigkeitswechsel im Ausmaß von jeweils mindestens 10 Minuten erfolgen. …
  • Eine nach 50 Minuten zustehende Pause oder der Tätigkeitswechsel kann jeweils in die anschließende zweite Stunde verlegt werden, sofern der Arbeitsablauf dies erfordert…
  • Ein Tätigkeitswechsel im Sinne der Abs. 1 und 2 muß in Tätigkeiten bestehen, die geeignet sind, die durch die Arbeit am Bildschirmgerät auftretenden Belastungen zu verringern.
  • Pausen gemäß Abs. 1 sind in die Arbeitszeit einzurechnen.
  • 2.2. Unerwartet

    Einmal im Monat wurde die (Wirtschafts-)Zeitschrift produziert, auf die der Verlagsbesitzer stolz war. Völlig unvorbereitet auf den Stress kam ich zur Arbeit. Um 8 Uhr gab es noch nicht einmal fertige Texte, und der Redakteur kam erst eine Stunde später.

    2.3. Lieber blind als arbeitslos?

    Der Tag zog sich hin, schon bald hatte ich weder etwas zu Trinken noch etwas zu Essen mehr, da ich auf so einen langen Arbeitstag nicht eingerichtet war. 9 Stunden, 10 Stunden, 11 Stunden …

    Erkennen konnte ich bald nichts mehr, denn nach Erfahrung wusste ich, dass die Augen nach 9 Stunden vor dem Monitor so ermüdet waren, dass keine Bildbearbeitung mehr machbar war, weil man die Farben nicht mehr unterscheiden konnte.

    Die Buchstaben verschwammen vor den Augen. Meine Kopfschmerzen waren kaum noch auszuhalten. Mir war übel.

    2.4.  Stundenlang ohne Pause

    KrokodilDer Verlagsinhaber sah mehrmals nach uns, aber nicht, um sich nach unserem Wohlbefinden zu erkundigen, sondern darum, wie weit wir waren. Ein Dankeschön kam nicht über seine Lippen, als wir nach endlosen 12 Stunden fertig waren, und das im doppeltem Sinne.

     

    Mir ging es schlecht, ich zitterte am ganzen Körper, mehrmals war ich auf der Toilette, um wenigstens etwas Wasser aus dem Wasserhahn zu trinken. Ich hatte Angst, dass ich zusammenbrechen würde. Nun musste ich noch 45 Minuten mit der U-Bahn nach Hause fahren, mein erster Weg führte zum Imbiss.

    Das ganze Wochenende lang war ich so fertig, dass ich nur noch auf dem Sofa lag.

    3. Manchmal werden es auch 18 Stunden
    – das ist doch normal

    Als ich am Montag das Thema ansprach, wurde mir vom Vorgesetzten erzählt, dass das noch ein kurzer Arbeitstag gewesen wäre, manchmal hätten sie auch schon 18 Stunden und mehr gearbeitet. Das sei doch normal. Dafür sei die nächste Woche ruhiger, da könnte ich sogar zuhause bleiben.

    3.1. Keine Einstellung geplant

    Mein Vorgesetzer bestätigte meinen Verdacht, dass schon lange niemand mehr fest eingestellt worden war, und es auch nicht geplant wurde. Es reichte, jemanden für zwei Monate einzustellen, bis derjenige am Ende seiner Kräfte war. Das rentierte sich finanziell eher.

    3.2. Es bleibt kein Geld übrig

    Eigentlich waren 8 Wochen Vertretung geplant. Das Geld für die Überstunden bei der Zeitung gingen für den Imbissbesuch drauf, und die Woche danach kam überhaupt kein Geld rein. Und noch einmal wollte ich mich nicht mit der Wirtschaftszeitung rumquälen. Das brauchte ich nicht.

    Da ich schnell arbeitete, war ich innerhalb kürzester Zeit mit den ganzen Anzeigen fertig.

    4. Endlich Schluss

    KrokodilAls ich eine Woche vor Vertragsbeendigung zum Verlagsinhaber ging, um mitzuteilen, dass ich vorzeitig gehen möchte, war er sofort einverstanden.

    Bedanken für meinen Einsatz tat er sich nicht. Und das Zeugnis fiel kurz und knapp aus, ein Einzeiler, dass ich dort gearbeitet hätte, das auch kurz und geschmacklos auf einfachen Papier, ohne Firmenkopf.

    5. Der nächste Dumme wird gesucht

    Mein Freundeskreis hatte wenig Verständnis dafür, das ich vorzeitig von dem 8-wöchigen Vertrag zurücktrat.

    Wenig später stand erneut dieselbe Anzeige im Wochenblatt, „Vertretung für 8 Wochen gesucht“. Ob er wohl wieder einen Dummen fand? Bestimmt!

    Weitere Artikel im Internet:
    → Bundesnormen und Gesetzesnummern: Risk BKA

    Author Profile

    Marion Klüter
    Marion Klüter ist Multimedia-Fachfrau und Bloggerin. Sie unterhält zwei Blogs mit unterschiedlichen Schwerpunkten, da sich beide Themen nicht miteinander vereinen ließen, denn Wut und Kreativität passen schlecht zueinander. Seit einiger Zeit sind ihr Verlobter und sie stolze Besitzer eines Riesenschnauzers. Trotz vieler Rückschläge in ihrem Leben hat sie den Humor nicht verloren und lacht weiterhin gerne, auch über sich selbst.
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