Natur Teil 1: Keine Achtung vor der Vergangenheit19 Minuten Lesezeit

Jahrzehntelang widmet man sich hingebungsvoll seiner Aufgabe, einem Kleingarten. Man lebt für die Gemeinschaft, ist hilfsbereit und engagiert. Aber was bleibt übrig, wenn man abtreten muss?
Der Kleingarten als Lebensaufgabe
„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“. Martin Luther
In Memorium Heinzbert Klüter
und Johanna Klüter
Anfang 2018 verstarb mein Vater unerwartet. Über 50 Jahre lang hatte er einen Kleingarten der Staatswiesen Hannover in der Meisenburg III zusammen mit meiner Mutter bewirtschaftet. Diesen mussten wir nun schweren Herzens abgeben und ausräumen.
1. Es gibt viele Geschichten aus dem Kleingarten zu erzählen
Ich könnte seitenlang von den vielen Episoden erzählen, von den Tieren, den Blumen, den Früchten und dem Walnussbaum, aber ich fasse mich kurz. Es waren 50 schöne Jahre. Leider geht alles einmal zu Ende. Und das Ende war bitter.
1.1. Hurra, wir bekommen einen Kleingarten

Kleingärten sind beliebt und schwer zu erringen. Lange standen wir auf der Warteliste, bis uns ein ziemlich wilder Kleingarten angeboten wurde. Er war zugewachsen, voller Bäume und Blumen, die Hütte hatte schon einige Jahre auf dem Buckel.
Aber das Schlimmste war die Kolonie Meisenburg III, denn diese lag vor den anderen Kolonien, die an der Straße zum Lister Bad waren, umgeben von illegalen Müllhalden. Es waren acht Gärten, die anscheinend vergessen worden waren. An der Straße gab es Pferdeweiden, dahinter lag eine große Firma mit Lagerhallen und mit freilaufenden Wachhunden.
1.2. Die Arbeit hört nie auf
Alles kein Problem für meine Eltern. Engagiert wütete meine Mutter im Garten, während mein Vater, der hart als Tischler arbeitete, die Hütte ausbaute und außen mit Holz verkleidete. Gemeinsam strichen wir Kinder mit unseren Eltern dann das Holz der nun schönen Laube in unserem Kleingarten.
Danach folgte der Innenausbau, Verkleidung mit Panelen im Hauptraum und eingebaute Schränke mit Glastüren. Der Toilettenraum bekam eine schöne Tür, genauso wie die Laube.
1.3. Gute Nachbarn sind viel wert

Aber das Beste waren die Nachbarn. Auch sie waren teilweise erst seit kurzer Zeit da. Jeder half Jedem. Dafür bauten sie neben ihren Lauben Türen zu den Nachbarn ein, damit man schneller nach nebenan kam. So konnte man durch die ganze Kolonie gehen. Es entstanden schnell tolle Freundschaften.
Leider waren nur wenige Kinder da, es gab keinen Spielplatz, keinen Sandkasten, Schaukeln oder andere Möglichkeiten. Aber dafür gab es ja die Müllhalde, die Berge des Abfalls, unten Bauschutt und Sand, oben Kühlschränke und abgelaufene Lebensmittel. In regelmäßigen Abständen hielten Autos, die rasch ihre Abfälle entluden und wieder fortfuhren.
1.4. Nur die Harten kommen in den Garten
Gemeinsam baute man die Kleingärten aus, renovierte die Lauben. Jeder bekam eine Einbauküche von meinem Vater, teilweise lag sogar Parkettboden in den Räumen. Auch vorne wollte jeder so eine schöne Tür haben wie mein Vater.
Dann bekamen sie eine gemeinsame Stromleitung. Man baute Wasserleitungen und verlegte Stromleitungen, die Kolonie wurde heller und ließ sich leichter bewässern. Die Arbeit hörte nie auf.
1.5. Wer viel arbeitet, darf auch feiern
Es gab viele Feiern. Klöße essen bei meiner Mutter, die aus Thüringen kam. Matjes mit Pellkartoffeln, im Winter Grünkohl mit Bregenwurst, gebraten nach dem Geheimrezept der Familie und Schlachtewurst-Platte. Meine Eltern bildeten den Mittelpunkt der Kolonie mit ihrer Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft.
Damals lachte meine Mutter noch jeden Tag.
2. Der Garten erblüht
2.1. Ein Meer von Vergissmeinnicht-Blümchen

Am schönsten war der Frühling, denn dann erblühte der Kleingarten in himmelblau. Sogar schon von weitem konnte man sie sehen, die vielen Vergissmeinnicht, ausgesät von der früheren Gartenbewohnerin. Jeder Zentimeter war bedeckt von den kleinen Blüten. Sogar die Wege.
Mein Vater zupfte sie an den Stellen, an denen sie nicht stehen sollten, jedes Jahr mühsam aus, aber sie kamen immer wieder und breiteten sich aus.
Viele Leute, die den Durchgang zu Brot Henke nutzten, blieben stehen und betrachteten das schöne Bild.
2.2. Duftende Pfingstrosen säumen den Weg
Und zur Pfingstzeit folgten die Pfingstrosen. Neben dem Hauptweg bildeten sie einen duftenden Eingang. Sie zogen die Blicke auf sich. Alte Pflanzen, die jedes Jahr üppiger blühten, wie es bei Pfingstrosen so üblich ist.
Auch die Hortensien wurden von Mal zu Mal schöner und üppiger. Der ganze Kleingarten blühte und duftete.
→ weiter geht es mit S.2 Der Selbstversorger-Garten
Autor Profil

- Marion Klüter ist Multimedia-Fachfrau und Bloggerin. Sie besitzt zwei Blogs mit unterschiedlichen Schwerpunkten, da sich beide Themen nicht miteinander vereinen ließen, denn Wut und Kreativität passen schlecht zueinander. Trotz vieler Rückschläge in ihrem Leben hat sie den Humor nicht verloren und lacht weiterhin gerne, auch über sich selbst.
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